Der erste Schultag

8.11.

6uhr klingelt der Wecker. Erster Schultag. Erster Arbeitstag. Aufregend. Ein bisschen stress am Morgen. Noch schnell eincremen. Auch sowas, an das man sich erstmal gewöhnen muss. Lange Sachen angezogen für ersten guten Eindruck. Und dann gings los. Das erste Mal den Schulweg laufen, den wir in dem kommenden Jahr wohl noch hunderte Male laufen werden. Direkt richtig nett begrüßt am Eingangstor von den Sicherheitsleuten.

Warten auf principal. Erstmal umzingelt von Kindern. Vorallem von hearing impaired learners. Alle wollten unsere Haare anfassen.

 

Einer der ersten Eindrücke: So viele Frauen. Frauenpower.

                                               

Dann hat die Principal uns zuerst mit zu den hearing impaired learners genommen, die für uns extra ein zweites Mal die Nationalhymne in Gebärdensprache gesungen haben. Anschließend sollten wir uns den Schüler*innen vorstellen. Das erste Mal vor so einer großen Gruppe auf Englisch gesprochen, aber dafür lief es ganz gut. Dann ging es weiter zu der seeing impaired section, wo wir uns ebenfalls vorgestellt haben. Anschließend ist Atuhe (der Sportlehrer) mit uns noch Mal durch alle Klassen dieser Section gelaufen. Echt erstaunlich, wie unterschiedlich die Schüler*innen der verschiedenen Jahrgangsstufen sind: Manche hatten direkt tausend Fragen und wollten sich mit uns unterhalten, andere waren dann aber doch sehr schüchtern.

Nachdem der nachfolgende Rundgang auf dem Schulgelände abgeschlossen war, hatte Atuhe in Grade 5 Sportunterricht. Eigentlich wollten wir zugucken, aber nach einem Anruf hat er uns kurzerhand mit drei Hoola-Hoop Reifen, einem Ball und der ganzen Klasse allein gelassen. Frei nach dem Motto: „Ihr macht das schon.“ Das war echt nicht so einfach, aber dafür, dass wir gar keine Vorbereitung hatten, haben wir das ganz gut gemeistert. Ein bisschen Hoola-Hoop, ein bisschen Ball zuwerfen und ein bisschen Ball mit dem Fuß zuspielen. Echt beeindruckend, wie die seeing impaired learners das alles geschafft haben und vor allem, wie sie sich gegenseitig geholfen haben. Ohne, dass man sie darauf hinweisen musste, haben diejenigen, die relativ gut sehen können denjenigen, die nur schlecht oder gar nicht sehen können, geholfen. Überhaupt keine Spur von Egoismus. Für sie sicherlich total normal und doch für uns schön zu sehen.

Nachdem die Stunde zu Ende war, konnten wir erstmal wieder nach Hause gehen. Der Schultag war nicht lang und trotzdem waren es schon soooo viele Eindrücke. Auf dem Heimweg wurden wir dann noch von zwei Angestellten der Schule angesprochen, mit denen wir uns durch den Zaun gut unterhalten haben. Lustig war, dass sie uns angesprochen haben, obwohl sie gar nicht wussten, dass wir ab jetzt an der Schule arbeiten und uns dann davor gewarnt haben, dass wir nicht mit Fremden sprechen sollten. Genau das waren sie aber ja eigentlich in diesem Moment auch für uns…

 

In der Mittagspause haben wir uns ein wenig um die Finanzen gekümmert, mit Erastus gespielt, der uns Mal wieder besuchen kam und außerdem etwas zu Essen gekocht. Dieses Mal wurde es leider nicht ganz so lecker… Es stellte sich heraus, dass Eierkuchen aus Maismehl ganz schön anders sind als Eierkuchen mit Getreidemehl.

Nach der Mittagspause sind wir zu 16 Uhr wieder zur Schule gegangen, um zu unserem ersten Athletiktraining zu gehen. Im Gegensatz zu dem Sportlehrer waren wir pünktlich und mussten dann bestimmt 30 Minuten auf ihn warten. In der Zeit haben wir uns aber richtig gut mir Joshua und Isabella unterhalten – zwei Schüler*innen aus der seeing impaired section. Sie konnten beide erstaunlich gutes Englisch und waren super aufgeschlossen, wodurch das Gespräch einfach und spannend war. Wir wurden mit Themen konfrontiert, mit denen wir nicht so direkt gerechnet hätten. Zum einen wurden wir gefragt, ob es große Unterschiede zwischen Deutschland und Namibia gibt und ob Deutschland auch kolonialisiert gewesen sei. Wir waren kurz überfordert und in der Zeit meinte Isabella ziemlich selbstbewusst, dass Deutschland natürlich kolonialisiert war. Puhh – eine seltsame Situation. Aber sie wirkten super abgeklärt und nicht irgendwie verletzt, dass wir jetzt aus Deutschland kommen. Anschließend ist er (mal wieder) verschwunden und der Athletiktrainer Bruno von außerhalb der Schule (zu dem Zeitpunkt wussten wir noch gar nicht wer er war) hat von uns erwartet, dass wir die Session übernehmen. Noch überforderter als am Morgen haben wir uns erstmal rausgeredet und gesagt, wir würden gern auf den Lehrer (Atuhe) warten. Der Athletiktrainer sagte zunächst „Ok, we will wait“ und startete dann doch das Training, was unsere Verwirrung nur noch weiter steigerte. Zur zweiten von 3 Runden sind wir dann in das Training eingestiegen. Bruno hat mit den Kids (und mit uns) ein richtig hartes Workout durchgezogen. Anschließend wurde noch eine Runde Fußball gespielt.

Völlig k.o. haben wir dann noch Abraham (ein Lehrer der hearing impaired section) geholfen, einen Online-Kurs auf Moodle zu erstellen. Wir hatten ihn vor dem Training kennengelernt und er hat uns einiges über das Event erzählt, was am nächsten Tag anstand. Er war wirklich total nett, hat einiges von Philipp und Maxi (unsere beiden Vorfreiwilligen) erzählt und kurz vor dem Training hat er uns dann gefragt, ob wir ihm mit Moodle helfen können. Um kurz nach 7 mussten wir uns dann aber wirklich beeilen, da wir ja nicht im Dunkeln raus gehen sollen. Obwohl der Fußweg nur ca. 10 Minuten dauert, wurden wir trotzdem etwas nervös, auch, weil eine Lehrerin uns als wir gegangen sind nochmal gesagt hat, dass wir insbesondere in der Nacht nicht umher gehen sollen.

Damit ging ein super voller, mit tausenden Eindrücken beladener Tag vorbei und ließ uns  schon um 21 Uhr ins Bett fallen.

 

 

 

9.11.

8 Uhr Schulstart. Mal wieder wussten wir nicht, wo wir hin sollen. Haben uns mit Isabella und Joshua unterhalten. Währenddessen haben die Schüler*innen sich mit ihren Stühlen platziert. Es war alles hergerichtet für eine Zeremonie zur Einweihung eines neuen Schulgebäude. Zelte, Kunstrasen, Blumen (also künstliche), Blumenkränze, lange Tafel mit weißer Tischdecke, an der die Botschafter aus Japan und die Principals und der Regierungsvertreter aus der Oshana Region Platz hatten. Dann viele Reden. Zwei traditionelle Tänze von Schüler*innen, die sehr beeindruckend waren. Es hat super viel Spaß gemacht, dort zuzuschauen. Zwischendrin war es etwas langweilig.

Nach der Zeremonie waren wir wieder verloren und wussten nicht so recht, wohin mit uns. Es gibt nicht so deutliche Ansagen. Als wir einfach so rum standen, wurden wir von zwei Leuten gefragt, ob wir mit ihnen Fotos machen. Den einen davon hatten wir vorher noch nie gesehen.

Als wir gerade ein Gespräch angefangen hatten, wurden wir von einer Lehrerin zum Essen geholt und in den Klassenraum geführt. Dort haben wir uns mit einem Mitarbeiter des japanischen Botschafters unterhalten, der sehr interessiert in unseren Freiwilligendienst war. Wir wurden gebeten, uns Essen zu holen und hinzusetzen, und konnten leider nicht am gleichen Tisch wie er sitzen. Wir saßen stattdessen am Tisch des Botschafters und der Bildungsministerin (?). Zu essen gab es Nudel- und Kartoffelsalat mit Ziegen- und Hühnchenfleisch. Um nicht unhöflich zu sein, haben wir Ziegenfleisch gegessen. Wir haben also nur eine Woche durchgehalten, kein Fleisch zu essen :(

Aber dafür war es recht lecker.

Danach wussten wir wieder nicht so recht, was passiert aber relativ schnell war klar, dass nichts mehr geplant war und wir gehen konnte. Am Nachmittag ging es wieder zur Schule. Steffen hat direkt wieder beim Leichtathletik Training mitgemacht und ich hab zusammen mit ein paar anderen Kindern schonmal ein paar Spiele ausprobiert. Weil die Kids dann Essen gehen mussten, wurde ich eingeladen, dabei zu sein, um zu sehen, wie alles abläuft. Zu essen gab es vier Toastscheiben und gebackenen Fisch, der in meinen Augen jetzt nicht sooo lecker aussah, aber von den Learners mit Appetit gegessen wurde.

Während des Essens hatte es sich wohl rumgesprochen, dass ich da etwas spielen wollte, so dass nach dem Essen bestimmt 50 Kids kamen und mitspielen wollten. Es war eine bunte Mischung aus jedem Alter, unterschiedlichen Sehfähigkeiten und unterschiedlichem Englischkönnen. Ein bisschen improviseren und mit großer Unterstützung von Isabella konnten wir aber relativ schnell Rocks and River spielen. Dabei müssen die Kinder auf ein bestimmtes Kommando nach vorne oder hinten springen und sind raus, sobald sie falsch springen. Das hat super geklappt und für den ein oder anderen Lacher gesorgt. Danach wurden auch mir noch Spiele gezeigt und ich habe gemerkt, dass die Kommunikation wirklich nicht so leicht werden wird.

 

Steffen war in der Zwischenzeit wie gesagt beim Leichtathletiktraining.

 

Nachdem wir dann zu Hause waren, gab´s eine kleine Überraschung: Der Strom funktionierte nicht. Erstmal sind wir da ganz ruhig geblieben, weil uns schon im Vorfeld gesagt wurde, dass Stromausfälle häufiger vorkommen können. Kochen mussten wir auch nicht und das Wasser funktionierte auch. Also ging´s für Steffen unter die Dusche während ich mich mit unserer Vermieterin Eonike unterhielt. Da uns auch gesagt wurde, dass man in Namibia nicht so direkt ist wie in Deutschland, ging es erst noch darum, wie unsere ersten beiden Tage waren bevor ich dann erzählte, dass bei uns der Strom nicht funktionierte. Ich hatte schon direkt mitbekommen, dass beim anderen Teil vom Haus das Licht aber funktionierte und war ziemlich verwundert. Eonike wusste auch nicht so recht, was los sein könnte und schickte mich mit Tuafeni (ein Enkel von Eonike) wieder zu uns, damit er auch mal schaut. Der probierte die Sachen, die ich schon getestet hatte. Nachdem auch nochmal die Sicherung aus und wieder an geschalten wurde und immer noch nicht klar war, woran es hakte, wollte er schon wieder gehen, als er an einem Kasten vorbei ging, darauf zeigte und meinte „Ohh, it´s zero…“ als wäre damit alles gesagt. Was es für ihn anscheinend auch war. Mittlerweile war Steffen auch wieder dazu gekommen und wir schauten uns etwas irritiert und verloren an. Tja, es stellte sich nach einigen verwirrten Blicken und kurzem Wortwechsel heraus, dass hier der Strom per Prepaid gekauft wird. Das heiß, man muss in einen Laden gehen und kann gegen Geld einen Code bekommen, den man dann zu Hause in seinen persönlichen Stromkasten eintippt und dann hat man so lange Strom bis das Guthaben aufgebraucht ist. Wir, schon komplett darauf eingestellt, dass wir jetzt eben den Abend ohne Strom verbringen würden, wollten uns Salat machen, als Tuafeni und nochmal rief und meinte,  seine Großmutter habe jetzt online für uns für 50 NAD Strom gekauft. Das sind umgerechnet ziemlich genau 3€. Sie sagte noch zu uns, als wir ihr das Geld zurück gaben, dass das bis morgen, höchstens übermorgen reichen würde. Jetzt, vier Tage später, haben wir es immer noch lange nicht aufgebraucht. Aber wir haben natürlich mittlerweile trotzdem schon Strom dazu gekauft. Das sollte jetzt erstmal für ne Weile reichen.

 

Nach dem ganzen Trubel haben wir uns dann endlich den Salat gemacht, durch den die restlichen Eierkuchen etwas erträglicher wurden. Steffen war so fertig vom Joggen, dass ich erstmal nachfragen musste, ob alles in Ordnung sei… Fertig gegessen, fielen wir beide komplett müde in unsere Betten. 

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Kommentare: 3
  • #1

    Großeltern (Montag, 15 November 2021 18:57)

    Maiseierkuchen und Ziegenfleisch essen, per Verabredung mit dem Lehrer dann doch etwas völlig andere
    spontan machen, Willkommensfest feiern mit bunten Blumen aus Papier - klar, die richtigen würden ja
    sofort welken; unbefangen mit den Kindern spielen und sprechen, jedoch unzuverlässige Absprachen mit
    Erwachsenen - das ist für uns brave Deutsche wirklich wie verkehrte Welt. Da müßt ihr euch sicher noch
    über einen längeren Zeitraum umstellen. Ich glaube, durch verschiedene Literatur zu wissen, daß es in
    den "südlichen Ländern" bezüglich Arbeit und Verabredungen grundsätzlich etwas anders läuft. Das beginnt bereits in Italien und Frankreich, und durch "unsere Syrer" haben wir das hier auch kennengelernt. Interessant und spannend ist ein so völlig anderes Leben - glaube ich, und manchmal nervt es auch. Wie gut, daß ihr immer zu zweit seid und euch absprechen könnt: Wie / was / wo / mit wem machen wir DAS jetzt??? Für uns zu lesen ist das lustig. Doch wenn man persönlich solche
    Unklarheiten - über den Tag verteilt - erlebt, kostet es Nerven. Ich glaube, in ein paar Monaten bleibt
    ihr ganz cool, wenn es Unklarheiten geben wird.
    Letztendlich ergibt sich für uns (so wie wohl bei euch auch noch) der Eindruck, daß eine riesige Flut von buntem, exotischem,undurchschaubarem, geheimnisvollem Leben vor euch abläuft. Wir wünschen euch, daß ihr trotzdem immer "oben" bleibt und irgendwann ganz fröhlich mitschwimmt.
    Wie gut, daß ihr euer kleines Zuhause habt!!!
    Lieste Grüße für dich und ein Gruß an Stefan, den wir ja am Sonntag kurz sehen konnten


  • #2

    Mathias (Montag, 15 November 2021 20:05)

    Hallo Hanna!
    Also erstmal wieder vielen Dank für die tolle Zusammenfassung.
    Das mit den sportlichen Leistungen von Sehbehinderten finde ich spannend. Natürlich klappt das bei denen auch (wie du weißt, habe ich ja auch mit Behinderten -u.a. Blinden- Kampfsport gemacht. Mich würde interessieren mit welchen Methoden ihr den Kindern das beibringt. Habt ihr Klangbälle?

    Und zum zweiten Tag: Warum kommt denn der japanische Botschafter? Seid ihr irgendwie mit Japan verbunden?

    Und die ganzen Essen... Ziege, Fisch,... ich glaube für die nächsten Monate wird sich Dein Essverhalten wohl doch etwas ändern. Ich hoffe es geht Dir dabei gut.

    Liebe Grüße und ganz dolle Umarmung!

  • #3

    Horst Berger Sonntag 12. Dez. 2021 (Sonntag, 12 Dezember 2021 21:37)

    Vielen Dank für Deinen Bericht. Tolle Fotos und interessante 'Erlebnisse. Hier schneits. Euch ein gesegnetes Christfest. Viel Freude, Herzliche Grüße aus Berlin. Horst u Gerlinde