Die erste restliche Schulwoche

10.11.

Am Mittwoch sind wir schon sehr früh (zu 7 Uhr) zur Schule gegangen, weil wir nicht genau wussten, wann wir wo sein sollten. Schon vor dem Schulstart haben wir Abraham getroffen, der sich auch gewundert hatte, uns schon so früh zu sehen („Wow, you guys are early!“). Mit ihm haben wir dann erstmal den üblichen Smalltalk gehabt und er hat uns erzählt, dass er demnächst einen Drama-Course für die Kids plant. Das war wieder so ein Moment, in dem wir gemerkt haben, wie engagiert Abraham ist. Er war schon richtig begeistert und man hat ihm die Vorfreude auf sein neues Projekt total angemerkt. Vielleicht können wir dort mit einsteigen oder ein anderes Projekt gemeinsam mit ihm in Angriff nehmen. Die Zusammenarbeit wäre bestimmt super.

Anschließend sind wir dann erstmal ein wenig über das Gelände gelaufen, weil wir nicht so recht wussten, wo wir sein sollten. Zuerst bei der seeing-impaired Section. Nachdem sich dort nicht so richtig was ergeben hat, haben wir uns auf den Weg in den Admin Block gemacht, wo uns aber ganz viele Kinder der hearing-impaired Section abgefangen haben. Zuerst haben sie uns nach unseren Namen gefragt und sich gefreut, dass wir sie bereits buchstabieren konnten. Anschließend haben sie uns schon unsere Gebärdennamen gegeben (das soll aber nächste Woche nochmal in offiziellerem Rahmen beim Morgenappell passieren). Irgendwann sind sie dann dazu übergegangen, uns ganz viele neue Signs beizubringen. Sie haben die Wörter auf Englisch in den Sand geschrieben und uns danach die entsprechenden Signs gezeigt, bis wir sie richtig nachgemacht haben. Das hat total viel Spaß gemacht und die Kids waren super geduldig und aufmerksam. Falls mal etwas nicht ganz richtig war, haben sie uns geholfen, indem sie die Hände genommen haben und die Finger in die richtige Position gedrückt haben. Das war alles total süß und dadurch hat man sofort angefangen, die Kinder zu mögen. Auch ihnen scheint es sichtlich Spaß gemacht zu haben, da es immer und immer mehr wurden. Wir haben uns zwischendurch gefühlt wie Magneten. Obwohl es so viel Spaß gemacht hat, wurde es dann aber nach einer Stunde langsam anstrengend. Wir waren echt nicht mehr aufnahmefähig. So viele Signs die wir uns merken sollten… Es war aber gar nicht so leicht, das den Kids mitzuteilen. Wenn wir die Wörter „enough“ oder „stop“ in den Sand geschrieben haben, dachten sie, wir wollen die Gebärden dafür lernen und haben sie uns gezeigt. Wenn wir sie dann nachgemacht haben, haben sie nur beide Daumen hoch gezeigt, um uns zu signalisieren, dass wir die Gebärden richtig machen. Dann wollten sie auch schon zu den nächsten Wörtern übergehen, haben aber nicht ganz verstanden, dass es für uns genug war. Als wir es dann geschafft hatten, uns los zu machen, waren wir beide unglaublich erschöpft von der Menge an Informationen, aber um einiges Wissen reicher.

 

Anschließend haben wir im Principals-Office geklopft, um mit ihr zu besprechen wie es weiter geht. Wir wollten zum Beispiel fragen, ob die Kids der hearing impaired Section ebenfalls Sportunterricht haben. Sie war aber gerade in einer Besprechung, sagte aber sie seien gleich (bzw. „soon“) fertig und sie würde uns dann hereinrufen. Schon im Vorfeld wurde uns gesagt, dass das zeitverständnis hier evtl. ein anderes sein könnte als wir es von zu Hause gewohnt sind und hier war es dann auch so. Wir haben ziemlich lange gewartet, bis wir dann nach eineinhalb Stunden endlich mit ihr sprechen konnten. Das Gespräch war dann aber sehr cool! Die Schulleiterin der hearing-impaired Section hat dann noch die Leiterin der seeing-impaired Section sowie eine weitere Kollegin geholt und uns anschließend fast alle Freiheiten gegeben. Aktuell hat die hearing-impaired Section tatsächlich keinen Sportunterricht im Stundenplan. Wir sollen uns deshalb einen eigenen Plan machen, nachdem wir mit den jeweiligen Lerngruppen in den Nachmittagsstunden Sport machen wollen. Das bedeutet für uns, dass wir uns erstmal aus dem Athletik-Training zurückziehen werden (das läuft ja sowieso ganz gut durch den Trainer). In dem Meeting wurde uns also wirklich ein großes Vertrauen entgegengebracht und wir hatten das Gefühl, dass man sich hier wirklich freut, dass wir da sind.

Nach dem Meeting sind wir dann total glücklich nach Hause gegangen. Nach einem ausgedehnten Mittagsschlaf waren wir einkaufen und haben abends Essen gekocht. Es war klassisch deutsch: Rahmspinat (natürlich aus frischem Spinat, kein TK) mit Kartoffeln und Spiegelei.

 

Noch schnell den Plan für die Nachmittagsstunden erstellt und danach sind wir wieder total müde ins Bett gegangen. Schließlich wussten wir mal wieder nicht so recht was uns am nächsten Tag erwartet, da Atuhe keine PE-Lessons hatte, aber geschrieben hat, dass er uns am nächsten Tag die PE-Lessons der unteren Jahrgänge (die er nicht unterrichtet) schicken wollte. Wir planten also erstmal um 7:30 zu Miss Nangombe zu gehen, um ihr unseren Plan zu zeigen.

 

11.11.

Saint Martin. In Deutschland. In Namibia hat das keine Rolle gespielt. Soweit wir das mitbekommen haben.

Mit unserem Plan für die hearing impaired section machten wir uns auf den Weg zur principal. Mal wieder waren wir früher da und setzten uns auf die Stufe vor dem Bürogebäude.

Den Plan haben wir mit ihr noch ein bisschen geändert, sodass wir jetzt nachmittags anstatt drei zwei Gruppen haben werden. Der Plan wird jetzt erstmal bis zu den Ferien gehen. Also nur ein paar Wochen, aber immerhin. Ab Januar soll dann der Sportunterricht wieder in den Stundenplan aufgenommen werden. Dann wird sich für uns sicherlich auch nochmal einiges ändern.

Während wir bei der principal waren, schickte uns Atuhe doch tatsächlich auch den Stundenplan für die seein impaired section. Um das direkt auszunutzen, machten wir uns auf den Weg zu der Pre-Primary. Als wir dort ankamen, wirkte die Lehrerin jetzt nicht so super glücklich, dass wir da waren und beim Sport dabei sein sollte. Es wirkte tatsächlich eher so, dass es das erste Mal sein würde, dass die Kinder so was machen würden. Aber sie war spontan und forderte uns direkt auf, ihr dabei zu helfen, ein paar Steine zu tragen. Diese wurden dann kurzerhand von der angrenzenden Baustelle geholt und zu einer Art kleiner Pfad aufgebaut. Darüber sollten die Kids dann balancieren. Ich war gespannt, wie das gehen würde, weil die Kinder schließlich nicht oder nur kaum sehen können. In der Gruppe ist auch ein Junge dabei, der kleinwüchsig ist und trotzdem die gleichen Abstände überwinden sollte wie alle anderen. Und surprise surprise- er schaffte es besser als einige andere aus der Gruppe. Alle fühlten immer zuerst mit ihren Händen, wo sie ihren nächsten Schritt hinsetzten mussten, bevor sie dann weiter gingen. Das war wirklich beeindruckend. Es war auch super schön mit anzusehen, wie die Kids sich immer freuten, wenn sie es geschafft hatten.

 

Nach der halben Stunde hatten wir etwas Leerlauf. Wir gingen erstmal zu der dritten Klasse, in der nach dem Plan die nächste Sportstunde stattfinden sollte. Wir fragten, ob wir die Lehrerin bei ihrer Stunde begleiten könnten. Sie stimmte zu. Danach nutzten wir die Zeit, um ein paar Fotos vom Schulgelände zu machen.

Als wir wieder zurück zu der Klasse kamen, waren zwar die Learners, aber keine Lehrerin da. Wir hatten schon Zweifel und fragten uns, ob die Lehrerin jetzt dachte, dass wir den Unterricht übernehmen würden. Als wir sie dann sprachen, war genau das ihr Gedanke. Diesmal schon nicht mehr ganz so perplex gingen wir mit den Kids also raus in den Schatten und spielten mal wieder Rocks and River und noch ein weiteres Spiel. Ich hatte das Gefühl, das hat allen Spaß gemacht. Ich hoffe, dass wir wirklich einfach eine kleine Abwechslung, Regelmäßigkeit und Struktur in den Alltagstrott der Kinder bringen.

 

Danach ging es für uns wieder nach Hause. Keine weiteren Stunden für den Tag.

Ein bisschen entspannen. Und das erste Mal Abrechnungen machen. Dann war es noch so früh, dass wir nochmal losziehen wollten. Eher mit der Intention, ein bisschen was von Ongwediva zu sehen als groß etwas anderes zu machen. Dafür probierten wir den Weg zu rekonstruieren, den wir am Samstag letzte Woche mit Diouf gegangen sind. Wirklich mehr trauten wir uns nicht, weil wir uns eben wirklich noch nicht auskennen und uns jetzt schon mehr als deutlich von verschiedenen Personen gesagt wurde, dass wir aufpassen sollen. Und das liegt daran, dass wir weiß sind. Wir sind weiß und deswegen wird automatisch vermutet, dass wir Geld und ein teures Handy haben. Das es für die Warnungen einen Grund gibt, merken wir, sobald wir aus unserer Haustür gehen.  Sobald wir an die Straße kommen, werden wir sekündlich angehupt von Taxis oder eben auch von keinen Taxis und einfach nur von Leuten, die sich leicht was dazu verdienen wollen. Ein anderes Beispiel ist, dass wir jedes Mal, wenn wir nach Hause kommen und in unsere Straße einbiegen, von einer Familie gegrüßt werden. Sie rennen gefühlt zum Fenster oder zu Tür, winken ausgiebig und rufen strahlend „Hiiiiii! Hi! Hi!“. Wir wissen nicht wer sie sind, wie sie heißen oder irgendwas und doch ist das jetzt schon fast etwas, worauf man wartet, wenn wir da lang laufen XD. Genauso ist es auch jedes Mal, wenn wir an der Schule vorbei laufen. Irgendwelche Kids sind immer da. Und irgendeins entdeckt uns immer, so dass jedes Mal mit einem Lächeln gewunken wird. Das ist echt richtig süß.

 

Als wir es tatsächlich bis zur Mall geschafft hatten, trafen wir Grace und sie konnte uns sagen, wo wir Strom kaufen können.

 

Als wir dann aber immer noch recht früh zu Hause waren, konnten wir mit allem früher fertig werden und lagen schon um 21 Uhr im Bett.

 

12.11.

Dadurch dass wir endlich den Stundenplan hatten, wussten wir auch, wann wir da sein mussten und konnten dementsprechend etwas länger schlafen. Es kam mir so vor, als wäre das schon ausschlafen gewesen. Wie schnell man doch in einen neuen Rhythmus finden kann.

Als erstes stand für uns die Pre-Primary auf dem Programm. Dort angekommen, war erstmal die Lehrerin nicht da. Wir wussten daher nicht so recht, ob wir schon starten sollten oder lieber auf die Lehrerin warten. Schließlich verstehen die Kinder kaum Englisch und eigentlich wollten wir wieder nur dazu kommen, bzw. helfen. Da die Lehrerin nach einigen Minuten immer noch nicht da war, haben wir uns dann aber doch dazu entschieden, mit den Kindern raus zu gehen. Gar nicht so leicht, ihnen zu erklären, dass sie uns folgen sollen, aber wenn man sie an der Hand nimmt, klappt es dann doch ganz gut.

Der Parcours, den wir für sie (bzw. eigentlich für die Grade 1) vorbereitet haben, hat dann aber super funktioniert. Wenn man die Kids an die Hand nimmt und ein wenig Hilfestellungen gibt, bringen sie uns echt super viel Vertrauen entgegen. Sie können super balancieren und einige Hindernisse bewältigen. Ganz schön beeindruckend, das zu sehen. Sie springen sogar ohne Furcht von den Reifen herunter und sind generell sehr motiviert dabei. Später kam dann auch noch kurz die Lehrerin dazu und hat ein wenig mitgemacht, bevor sie wieder in den Klassenraum gegangen ist. Zum Abschluss haben wir noch Rocks and River gespielt. Obwohl die Kids uns nicht verstehen, hat es aber auch ohne die Lehrerin echt gut geklappt und nach kurzem Üben haben alle Kids die Spielregeln verstanden.

 

Die Pre-Primary haben wir zukünftig jeden Tag. Wir glauben, dass sich da echt schnell eine Routine ergeben kann und wir dadurch in der Klasse richtig was erreichen können. Das wird bestimmt cool.

Am Nachmittag haben wir uns nochmal mit Abraham zusammengesetzt. Da wir geplant hatten, am Nachmittag noch nach Oshakati zu fahren, wollte er uns zuerst helfen, vertrauenswürdige Taxifahrer zu organisieren und hat uns dafür an Mr T vermittelt. Das war total nett und hat uns schonmal ein besseres Gefühl gegeben. Nachdem wir dann mit Moodle angefangen hatten, kam Linea (eine Lehrerin in der hearing impaired section) herein, die (glaube ich) eigentlich nur Tschüss sagen wollte. Daraus hat sich dann aber ein total tolles Gespräch entwickelt. Sie scheint auch eine sehr sehr engagierte Lehrerin zu sein und hat erzählt, wie sie zur Gebärdensprache gekommen ist, was sie für spannende Gesellschaftsexperimente macht (indem sie sich als Deaf ausgibt) und dass sie an der Schule ein Netballteam ins Leben rufen möchte. Daraus ergibt sich bestimmt auch eine super gute Zusammenarbeit. Durch das Gespräch (was wirklich lange dauerte) sind wir kaum dazu gekommen, am Moodle-Kurs weiter zu arbeiten. Erst nachdem wir Nummern ausgetauscht haben und Linea sich ins Wochenende verabschiedet hat, kamen wir wieder dazu. Allerdings nicht so lange, da wir dann auch bald wieder los mussten. Abraham gab uns noch die Nummer von Mr T, der uns ein Taxi organisieren wollte. Zu Hause angekommen haben wir ihn angerufen und er meinte, er meldet sich in 10 Minuten, wenn das Taxi sich auf den Weg gemacht hat. Aus den 10 Minuten wurden 20, 30 und schließlich 40, bevor wir ihn wieder angerufen und er uns sagte, dass es heute schwierig aussieht. Damit waren wir aber einverstanden, da wir ohnehin nicht mehr genug Zeit gehabt hätten, um in Oshakati zur Bank zu gehen. Stattdessen haben wir dann Wäsche gewaschen, wobei Grace, Valentine und Kathrina (die zu Besuch war) uns zugeschaut haben. Es wirkte zwischendurch, als würden sie sich über unsere Art zu waschen lustig machen. Während wir wuschen, haben sie immer mal wieder eine kleine Dance-Session hingelegt und mussten lachen, wenn wir zugesehen haben. Erastus schien ein wenig lange Weile zu haben und wollte sich während wir gewaschen haben die ganze Zeit mit uns unterhalten und hat uns herausgefordert, irgendwelche Fingerverbiegungen nachzumachen.

Nachdem wir mit dem Waschen fertig waren, sind wir abends dann noch rüber gegangen und haben uns zu ihnen gesetzt. Insbesondere Kathrina hatte sichtlich Spaß, sich mit uns zu unterhalten. Sie hat sehr viel erzählt und uns aber auch über Deutschland ausgefragt und war sehr interessiert an unserer Sprache. Zwischendurch hat Kallappo (der „Haushund“) immer mal wieder für Aufregung gesorgt indem er (vermutlich spielerisch) nach Leuten gebissen hat. Insbesondere Erastus ist aber immer darauf eingegangen, woraufhin Kallappo nur noch wilder wurde – ein Teufelskreis. Insgesamt war es aber ein schöner Abend. Es war das erste Mal, dass wir uns wirklich längere Zeit mit unseren Nachbarn hier unterhalten haben, das werden wir sicher wiederholen.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    h.raemaekers@hetnet.nl (Montag, 15 November 2021 12:11)

    Ich habe mit vielem Interesse Deine ersten Erfahrungen in Namibia gelesen. Ich wundere mich darueber, wie bequem Ihr Euch an die anderen Umstaenden anpasst. Langsam bekommt Ihr einen Blick auf Euere Aufgaben in den naechsten Monaten. Es wird viel Kreativitaet kosten, um immer ein packendes Programm fuer die Kinder mit einer Behinderung zu zu bedenken. Viel Spass und viel Erfolg ! Ich werde am naechsten Donnerstag nach Berlin fahren und die ganze Familie und Freunde besuchen. Harry